Einfach mal etwas wagen! Julia Malchow, die mit ihrem kleinen Sohn eine Reise in der Transsibirischen Eisenbahn unternahm, macht’s vor. Ihr Beispiel lässt sich wunderbar aufs Arbeitsleben übertragen. Auch hier stossen positives Denken und Mut oft auf Widerstände und Vorurteile.
Es gibt diese Tage, an denen man sich nur mal kurz bei Facebook einloggt, um über den Schwachsinn, den man gerade im Internet gefunden hat, zu lästern. Und an denen man dann in seiner Timeline wirklich geniale Artikel findet, die ganze Denkweisen aufbrechen können. Sodass man am Ende beschließt, über beides zusammen einen Blogpost zu schreiben. Genau so ein Tag war heute.
Seid doch einfach optimistischer!
Der Reihe nach: Mal abgesehen von der Absurdität, dass Coca-Cola ausgerechnet in Berlin ein sogenanntes Happiness-Institut unterhält (natürlich als PR-Gag, wozu soll es sonst gut sein?), hat dasselbe Unternehmen nun in einer Befragung von über 1.000 Deutschen herausgefunden: 37 Prozent der Befragten wären gerne optimistischer. Bei den Frauen sind es sogar 41 Prozent. Das sagt sehr viel über die Stimmung in unserem Land aus. Und ich dachte spontan: Na, dann seid es doch einfach!
Es scheint aber nicht so einfach zu sein – oder doch? imgriff-Redaktionsleiterin Sabine Gysi hat kürzlich darüber geschrieben, was für ein starkes Produktivitätstool das positive Denken sei; und die Macht der selbsterfüllenden Prophezeiung könne uns entweder antreiben oder lähmen. Sabine schreibt:
«Besonders in grösseren Unternehmen oder Organisationen habe ich schon mehrmals beobachtet, dass ganze Abteilungen gelähmt sind durch negative Überzeugungen, die sich mit den Jahren eingeschlichen haben. Die erste Reaktion auf eine Idee ist dann immer gleich: ‘Vergiss es; das hat noch nie funktioniert und wird auch nie funktionieren’.»
Genau das ist die Haltung, die einem häufig entgegenschallt, wenn man etwas macht, das neu oder anders ist, also innovativ handelt. Sabine hat in ihrem Beitrag schon einige Tipps gegeben, wie man sich allen Widrigkeiten zum Trotz das positive Denken bewahrt und sich immer wieder motiviert. Ich möchte nun das Beispiel, das ich heute morgen gefunden habe, hinzufügen. Denn auch wenn es sich um einen völlig anderen Bereich handelt, so ist es doch ein tolles Beispiel für Optimismus – aber auch mit sehr viel Reflexion darüber, dass es bei unserer Gesellschaft oft am Optimismus hapert.
Alleine mit Kind durch Sibirien?
Die Rede ist von diesem Interview mit Julia Malchow, das meine geschätzte Kollegin Katharina Zimmermann bei Nomad Earth geführt hat. Julia Malchow war optimistisch und mutig, denn sie hat etwas gemacht, an das in Deutschland viele noch nicht einmal zu denken wagen: Sie hat mit ihrem 10 Monate alten Sohn Levi eine dreimonatige Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn unternommen. Zuerst von München nach St. Petersburg, dann mit der Transsibirischen zum Baikalsee bis in die Mongolei; Endstation war Peking. Alleine, nur sie und das Kind. Und darüber hat sie ein Buch geschrieben.
Später machten die beiden übrigens noch eine Weltreise. Auf ihrer Website, die den treffenden Titel «Grüble nicht, reise!» trägt, beschreibt Julia Malchow die Reaktionen, die sie auf ihr Vorhaben bekam.
«Freunde, Bekannte, Fremde werden Dich im angenehmsten Fall verständnislos anschauen und im unangenehmsten Fall als verantwortungslosen Egoisten beschimpfen. Gefragt nach den genauen Gefahren für das Kind kommt aber nichts, außer: das macht man halt nicht. Die Lautstärke und Schärfe der Kritik steigt umgekehrt proportional zur Reiseerfahrung der Kritiker.»
Mir hat dieses Zitat auch deshalb so gut gefallen, weil man es ohne weiteres auf viele andere Situationen übertragen kann, in denen man etwas neu und anders machen will: Fängt man an, die so logisch klingenden Argumente der Gegenseite zu hinterfragen, kommt nicht viel. Aber je weniger Ahnung da ist, desto stärker ist der Widerstand.
Warum fehlt uns so oft der Optimismus?
Wenn man ein wenig auf Malchows Website stöbert und die diversen Artikel von und über Malchow liest, stellt man schnell fest, dass sie mit dieser Reise auch bewusst mit eingefahrenen Denkschemata, Rollenbildern und Klischees brechen wollte. So schreibt sie: «Auf meiner Reise mit Levi als Baby konnte ich den regel- und glaubenssatzüberfrachteten deutschen Alltag als Mutter hinter mir lassen.» Denn genau den vielen falschen Glaubenssätzen sei es zu verdanken, dass uns das positive Denken so oft abhanden komme und stattdessen der Stress die Oberhand gewinne.
Im oben erwähnten Interview fasst Malchow noch einmal zusammen, warum uns in Deutschland das positive Denken so oft abhanden kommt. Und wieder lässt sich das Beispiel Familie meines Erachtens auf ganz viele andere Bereiche übertragen:
«Wir haben in Deutschland meiner Meinung nach ein Werteproblem: Kinder, Mütter, Familien werden zu wenig gewertschätzt. Sie sind eher Störfaktor, halten den reibungslosen Betrieb auf und sollen sich möglichst unauffällig verhalten. Überhaupt ist unser Leben hier zu sehr auf reibungsloses Funktionieren statt auf individuelles Leben ausgerichtet. Außerdem dominiert in deutschen Köpfen immer noch das klassische Leitbild der ‘guten Mutter’, die die ersten ein bis drei Lebensjahre im Wesentlichen für das Kind da ist, ihre eigenen Bedürfnisse hinten anstellt und das Kind überbehütet. Und dann ist die Art, wie in Deutschland die Arbeitswelt organisiert ist und die Wertmaßstäbe, die in Deutschland Karriere und Erfolg definieren nicht unbedingt menschen- oder gar babyfreundlich.»
Wer ein neues Projekt angeht, eigene Ideen verwirklicht oder auch einfach produktiv arbeiten will, muss nicht unbedingt mit einem Baby durch Sibirien reisen, um zu einer neuen Sichtweise zu gelangen. Es hilft aber sehr, eingefahrene Denkmuster zu verlassen und Dinge auch mal neu und anders zu machen, um Abstand von negativen Glaubenssätzen, gesellschaftlichen Vorurteilen und inneren wie äußeren Kritikern zu bekommen. Oder wie Dr. Cornelia Topf so schön sagt: «Feel the fear and do it anyway!»
Bild: Alan Parkinson bei flickr.com (CC BY 2.0)
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